Bundestagswahl 2021
Im Namen des HVN haben die beiden Vorsitzenden Hilke Schauland und Veronika Bujny, sowie die Vertretung der JuWehen in Niedersachsen Madita Lüth mit Vertreter*innen der großen demokratischen Parteien gesprochen. Wir wollten hören, welche Maßnahmen zu Verbesserung der Geburtshilfe, Schwangerenbetreuung und der Situation der Hebammen die Parteien in Niedersachsen im Programm haben. Den Aufschlag haben die Linke und FDP gemacht, weitere werden in der kommenden Woche folgen.
Unsere zentralen Fragen waren:
Antworten in Kürze:
Ausführliche Antworten: Die Geburtshilfe befindet sich in einem sehr angespannten Zustand, unter dem Beschäftige, Schwangere und Neugeborene leiden. Hauptursache hierfür sind der Sparzwang und das fehlgeleitete Finanzierungssystem der Fallpauschalen. Dieses System wollen wir abschaffen und durch eine bedarfsgerechte Finanzierung ersetzen.
Wir unterstützen die Forderung des Hebammenverbandes nach einem Geburtshilfestärkungsgesetz mit dem Ziel einer Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt. Die Kosten für den laufenden Betrieb in den Geburtshilfeabteilungen müssen von den Krankenkassen so finanziert werden, dass diese Abteilungen ihre Vorhaltekosten decken und die Hebammen bei gutem Stellenschlüssel leistungsgerecht bezahlen können.
Das Wissen um die Leistungen der Krankenkassen auch im Wochenbett und darüber hinaus muss breit kommuniziert werden. Außerdem müssen ausreichend Hebammen auch im ambulanten Dienst tätig sein um Schwangere in der Schwangerschaft und im Wochenbett zu begleiten. Der Fokus muss auf den Bedürfnissen der Frauen liegen, diese müssen frei entscheiden können, welche Betreuung sie sich wünschen.
Altrechtlich ausgebildete Hebammen dürfen durch die Akademisierung nicht benachteiligt werden. Gerade die Erfahrung, die diese Hebammen mitbringen, sind wertvoll – in der Praxis, aber auch in der Ausbildung neuer Hebammen. Eine Gleichstellung mit den Hebammen mit Bachelorgrad wurde bisher verschlafen und muss daher in der nächsten Wahlperiode unbedingt zeitnah erfolgen.
Antworten in Kürze:
Ausführliche Antworten:
Das IGES Institut kam in seinem im Januar 2020 veröffentlichten Gutachten zur stationären Hebammenversorgung zum Ergebnis, dass rund 40 Prozent der in Kliniken angestellten Hebammen aufgrund einer hohen Arbeitsbelastung eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit erwägen und 25 Prozent über eine gänzliche Aufgabe der Tätigkeit nachdenken (Quelle: IGES Gutachten zur stationären Hebammenversorgung). Vor dem Hintergrund des Ziels der Sicherstellung einer 1:1-Betreuung ist das ein Alarmsignal. Deshalb wollen wir vor allem auf eine Entlastung der Hebammen von fachfremden Tätigkeiten sowie eine nachhaltige Finanzierung von Hebammenstellen und Stellen für Hebammen assistierendes Personal hinwirken.
Aus Sicht der Freien Demokraten sind die bisher getroffenen Bemühungen um das vom BMG herausgegebene Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ nicht ausreichend, um eine solide finanzierte geburtshilfliche Versorgung mit dem Ziel einer 1:1-Betreuung nachhaltig sicherzustellen. Wir setzen uns daher für eine Verbesserung ein und wollen dafür auch weiterhin den Dialog mit den Hebammenverbänden suchen, um deren Sichtweise und Vorschläge in die Diskussion einfließen zu lassen.
Grundsätzlich setzen wir uns dafür ein, dass auch weiterhin die Freien Berufe im Gesundheitswesen gestärkt werden. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Heilmittelerbringerinnen und Heilmittelerbringer sowie Hebammen und Geburtshelfer müssen in medizinischen Fragen autonom und frei von Weisungen Dritter entscheiden können. Denn die Therapiefreiheit der Behandlung ohne Budgetierungszwang kommt den Patientinnen und Patienten zugute. Freiheit und Verantwortung sind die Basis der Vertrauensbeziehung zwischen Hebamme und Patientin.
Aus Sicht der Freien Demokraten gilt es zur Sicherstellung der Versorgung mit geburtshilflichen Angeboten zum einen, den Hebammenberuf für künftige Interessentinnen und Interessenten attraktiv zu gestalten und zum anderen, bereits praktizierende Hebammen nicht zu verlieren. Wir wollen z. B. eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Hebammen sowie eine Entlastung von fachfremden Tätigkeiten erreichen (vgl. hierzu auch den Beschluss der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag „Beste Versorgung rund um die Geburt sicherstellen Geburtshilfe zukunftsfit machen“ vom 17.12.2019).
https://www.fdpbt.de/sites/default/files/2020-01/Beschluss_Geburtshilfe.pdf
Für uns Freie Demokraten sind Kinder unsere Zukunft. Wir wollen dazu beitragen, der geburtshilflichen Gesundheitsversorgung einen entsprechenden Stellenwert in der öffentlichen sowie gesundheitspolitischen Debatte zu verschaffen. Dabei wollen wir die Anliegen, der in der Geburtshilfe tätigen Akteure stärker einfließen lassen.
Wir Freie Demokraten stehen grundsätzlich dafür ein, dass jede Patientin und jeder Patient die beste Versorgung erhält. Dafür muss die Gesundheitsversorgung einschließlich der Geburtshilfe künftig umfassend, regional und patientenzentriert gedacht werden. Wir wollen die künstliche Sektorenbarriere zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungsbereich konsequent abbauen und die Verzahnung und Vernetzung aller Versorgungsbereiche weiterentwickeln.
Um Frauen eine selbstbestimmte Geburt zu ermöglichen, treten wir dafür ein, dass es weiterhin eine Wahlfreiheit zwischen einer Entbindung in einer Geburtshilfeklinik oder in einem Geburtshaus existiert. Hierfür müssen die Kliniken beziehungsweise Geburtshäuser personell und räumlich besser ausgestattet werden. Wir Freie Demokraten wollen die flächendeckende Versorgung mit Hebammenhilfe sicherstellen. Gerade auch im ländlichen Raum müssen wir dafür sorgen, dass ein umfassendes Geburtshilfe- und Betreuungsangebot für Schwangere und Mütter in erreichbarer Distanz vorhanden ist.
Antworten in Kürze:
Ausführliche Antworten: Die Situation der klinischen Geburtshilfe entspricht aus meiner Perspektive nicht den realen Anforderungen. Es gibt teilweise, gerade im Ländlichen Raum, zu wenig Kreißsäle, vor allem in guter Erreichbarkeit für schwangere Frauen. Wenn sogar der einzige Kreißsaal in einem Krankenhaus meines Wahlkreises mangels Personals zeitweise außer Betrieb gesetzt werden muss, möchte ich sogar von einer katastrophalen Situation sprechen. Ein Grund sind sicherlich die schlechten Arbeitsbedingungen für Hebammen in der klinischen Geburtshilfe.
Deswegen setze ich mich dafür ein:
Die Begleitung von schwangeren Frauen und den Familien durch Hebammen und Entbindungshelfer im Zusammenspiel mit der ärztlichen Versorgung ist ein wichtiger Baustein in der Geburtshilfe. Das entlastet die ärztliche Betreuung und nutzt die Fachkompetenz der Hebammen und Entbindungshelfer. Eine Verbesserung der Rahmenbedingen hier wäre deshalb ein Anliegen, für das ich mich stark machen möchte.
Im Fokus der Geburtshilfe muss die Gesunderhaltung und Stärkung der Frauen stehen. Eine Reduzierung auf ein Reagieren, wenn es zu Komplikationen kommt, die durch frühzeitige Begleitung vermieden werden oder minimiert werden können, ist unverantwortlich.
Es braucht dafür aus meiner Sicht konkret folgende Änderungen, für die ich mich einsetzen möchte:
Auch die Durchlässigkeit der akademischen Ausbildung ist transparent und anhand klarer Kriterien zu ermöglichen. Z.B. soll durch zielgerichteten berufsbegleitenden Weiterbildungsangeboten mit Anerkennung schon erworbener Kompetenzen Hebammen mit beruflicher Ausbildung die gleichwertige Nachqualifizierung ermöglicht werden.
Die gesellschaftliche Bedeutung von Hebammen und Geburtshelfern muss auch durch eine entsprechende Politik getragen werden. Mehrere Aspekte spielen dabei eine Rolle:
Und zudem sind die unter Frage 1) und 2) beschriebenen Maßnahmen zu realisieren!
Antworten in Kürze:
Ausführliche Antworten: Werdende Eltern brauchen eine Versorgungssicherheit und die Wahlfreiheit des Geburtsortes. Die Frau muss in den Mittelpunkt gestellt werden.
Die Mutterschaftsrichtlinien sollten sich ändern und nach Wunsch der Frau, von Ärzt*innen und Hebammen gleichberechtigt durchgeführt werden.
Die klinische Geburtshilfe leidet unter der mangelnden Finanzierung und der fehlenden Refinanzierung der Vorhaltekosten. Das Hamsterrad der Ökonomisierung im Gesundheitswesen dreht sich immer schneller und führt zur Abarbeitung der Aufgaben wie am Fließband. Ich bin kein Freund der Diagnosebezogene Fallgruppen oder Diagnosis Related Groups (DRGs), dem Klassifikationssystem für ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren der Gesundheitsleistungen. Sie müssen insbesondere für die Geburtshilfe überarbeitet oder abgeschafft werden, da hier die Vorhaltekosten besonders hoch sind. Im Abrechnungssystem werden sie nicht erfasst und so ist die Geburtshilfe häufig defizitär finanziert. Das muss sich ändern, die flächendeckende Versorgung muss sichergestellt werden.
Derzeit ist die Personalschraube die einzige Stellschraube, an der die Krankenhäuser schrauben können und die Auswirkungen erleben wir täglich. Das Hebammenstellenförderprogramm ist an dieser Stelle nicht ausreichend. Die Unterbesetzung mit Personal in allen Bereichen kann so nicht weitergehen. Wir brauchen für die Pflege und für die Geburtshilfe klare Personalanhaltszahlen. Der Betreuungsschlüssel im Kreißsaal muss einer Frau eine Hebamme zur Seite stellen. Die 1:1 Betreuung muss sein. Das kann auch gesetzlich festgeschrieben werden.
Wir haben eine Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland, das macht unser Gesundheitssystem teuer und uneffektiv. Ich bin ein Anhänger der Bürgerversicherung und würde mich dafür einsetzen, dass alle den gleichen Zugang zu medizinischen Leistungen haben und alle an der Finanzierung beteiligt werden. Das schafft Gerechtigkeit.
Die Haftpflichtversicherung muss solidarisch geregelt werden.
Die altrechtlich ausgebildeten Hebammen dürfen nach der jetzt umgestellten hochschulischen Ausbildung nicht benachteiligt werden. Ihnen muss ein unkomplizierter Zugang zur Hochschule und eine Übergangsregelung wie in anderen europäischen Ländern ermöglicht werden. Ein langer Ausfall für die Praxis muss vermieden werden. Die Durchlässigkeit der Hochschulen ist mir ein großes Anliegen.
Antworten in Kürze:
Ausführliche Antworten: Werdende Mütter sowie ihre Kinder müssen die beste Versorgung vorfinden – egal ob auf dem Land, auf den Inseln oder in der Stadt. Alle im Kreißsaal müssen optimal zum Wohle von Mutter und Kind zusammenwirken ohne dabei Doppelstrukturen aufzubauen. Hebammen und Entbindungspfleger begleiten und unterstützen die Mütter oftmals weit über diesen besonderen Lebensabschnitt. Für diese Leistung müssen wir den angemessenen Rahmen schaffen. In der vergangenen Legislaturperiode haben CDU und CSU viel angestoßen und sind auf dem richtigen Weg. Aber wir müssen die Entwicklungen hier weiterhin aktiv gestalten:
Hier noch ein paar interessante Links: