Hebammen aus Niedersachsen
Hebammenverband Niedersachsen e.V.

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Jahrzehntelang war Ulrike Hauffe in Sachen Gleichstellung und Frauengesundheit politisch aktiv. Nun zieht sie sich zurück. Zuletzt war sie stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates der Barmer und Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Das Bild oben zeigt sie bei der feierlichen Eröffnung der gemeinsamen Fortbildungsstelle HVN/HLVHB in Bremen am 19. April.

Bei einem inoffiziellen Treffen kamen (v.l.n.r) Heike Schiffling (ehem. Vorsitzende Hebammenlandesverband Bremen, nun Koordinatorin Hebammenzentrum Bremen West), Veronika Bujny (ehem. Vorsitzende HVN, nun Koordinatorin Bündnis Gute Geburt), Hilke Schauland (1. Vorsitzende HVN) und Ulrike Hauffe zusammen und feierten ein bisschen die gute Zusammenarbeit in der Vergangenheit und sprachen wie immer auch über das aktuelle politische Geschehen. Ulrike Hauffe gab Ende Juni anlässlich ihres Abschieds ein Abschluss-Statement heraus, welches hier nachzulesen ist.

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Ulrike Hauffe zum 24.06.2024

Abschlussstatement der Veranstaltung von gesundheitsziele.de (GVG): „Gesundheit rund um die Geburt: Der Aktionsplan – Handlungsbedarf und Chancen für die Zukunft“

Das Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ beinhaltet weit mehr als nur Ziele der unmittelbaren gesundheitlichen Versorgung in Schwangerschaft, unter der Geburt und dem ersten Jahr der Elternschaft. Und damit ist zur Erstellung eines dem Gesundheitsziel entsprechenden Aktionsplan der Bundesregierung zum Bundesministerium für Gesundheit (BMG) noch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hinzuzuziehen, denn das Gesundheitsziel hat deutliche familien- und frauenpolitische Implikationen. Damit nicht genug: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gehört mit der in seinem Ministerium beeindruckend entwickelten Nationalen Stillstrategie dazu, aber auch das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft (BMBW), um zentral Konsequenzen für Studium, Aus- und Weiterbildungen betroffener Berufsgruppen zu ziehen. Last but not least fehlt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), zuständig für die Anpassung von Arbeitsbedingungen und Sozialthemen in diesem Rahmen – also „Health in all Policies“, der zukunftsfähige Ansatz für eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik. Wir wissen über die lebenslange Bedeutung der Erfahrungen, die Frauen, werdende Eltern und Kinder während Schwangerschaft, Geburt und der ersten Zeit danach machen. D.h., Risikozuschreibungen, die sich im Versorgungsmodell Deutschlands darstellen und gelernt werden, prägen in diesen existentiellen Lebensphasen die Grundhaltung zu eigenen Fähigkeiten, prägen also eher nicht das Selbstvertrauen, das Vertrauen in sich selbst – mit deutlichen Folgen für das weitere persönliche und familiale Verhalten. Derzeit wird viel über die Steigerung von Gesundheitskompetenz gesprochen. Das bleibt eine leere Worthülse, wenn jede Fähigkeit zur Selbstkompetenz unterhöhlt wird.

Das Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ setzt deshalb insbesondere auf einen salutogenetischen Ansatz. Das bedeutet, aus der Position der Frauen, der werdenden Eltern, Mütter und Väter, und der des Kindes zu denken und an deren Befähigungen anzusetzen. Und für das begleitende Fachpersonal als Konsequenz: eine Haltung einzunehmen, die Frauen, Eltern und Kinder während Schwangerschaft, Geburt und erster Familienphase mit ihren vorhandenen Kompetenzen stärkt. Das abverlangt von manchen oder vielen, die diese Lebensphase begleiten, eine Haltungsänderung – im Ergebnis übrigens für alle hochgradig befriedigend, nachhaltig und zukunftsweisend. Wir benötigen also einen „Kulturwandel“. Ein Kulturwandel bedeutet aber auch, dass sich eine zu verändernde gesellschaftliche Wertigkeit von Familien auch im politischen Handeln ausdrücken muss. Ein Aktionsplan der Bundesregierung (!) akzeptiert diese Grundlagen und erfüllt folgende Anforderungen:

  • Das Nationale Gesundheitsziel repräsentiert den wissenschaftlichen Stand eines zukunftsorientierten Präventionsansatzes.
  • Dieses Nationale Gesundheitsziel ist ein ausgesprochen erfolgreiches Ergebnis interdisziplinärer Zusammenarbeit, das nicht nur die verschiedenen Fachlichkeiten integriert, sondern auch die unterschiedlichen Akteure auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene adressiert: ungewöhnlich und beispielgebend.
  • Ein Aktionsplan - in Anerkennung von „Health in all Policies“ - hat also auch eine koordinierende Funktion über alle angegebenen Ministerien, Ebenen und Organisationen.
  • Das Nationale Gesundheitsziel deckt Steuerungsfehler eines risikoorientierten Ansatzes auf, die auch durch die Finanzierungswege ambulant und stationär repräsentiert sind: Es werden Maßnahmen und Eingriffe bezahlt und nicht begleitende Zeit. Hier muss eindeutig umgesteuert werden. Im Koalitionsvertrag steht deshalb auch: „Fehlanreize evaluieren“.
  • Weitere Steuerungshilfen sind die interdisziplinär schon entwickelten und noch zu entwickelnden Leitlinien, die fachliche Begleitung auf wissenschaftliche Erkenntnisse fußen lässt und Konsequenzen für die Mutterschaftsrichtlinien haben können. Auch die konkrete Umsetzung der Leitlinien in der Praxis gilt es im Blick zu haben.
  • Alle weiteren konkreten Themen sind in der Debatte dieser Veranstaltung vorgestellt worden: wissenschaftsbasierte Informationen, auch in einfacher Sprache und weiteren gängigen Sprachen entwickeln, Zusammenarbeit der begleitenden Berufsgruppen ausbauen, gemeinsame Studienangebote für Geburtshelfende entwickeln und anbieten, Standards für hebammengeleitete Kreißsäle bindend verabschieden, Hebammen durch attraktive 1:1-Betreuung wieder in die Geburtshilfen zurückholen, die ergebnisreichen Lotsendienste standardisieren und ausbauen (siehe aktueller GMK-Beschluss).

Das Thema der Familienentwicklung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Elternschaft ist bei allen derzeitigen gesundheitspolitischen und politischen Debatten unterbewertet, obwohl die Anzahl Schwangerer pro Jahr eine beachtlich große Gruppe ist, die „mitbetroffenen“ Väter und Kinder diese Anzahl verdreifachen. Außerdem ist „Geburt“ der häufigste Grund, in Deutschland ein Krankenhaus aufzusuchen (ca. 750 000/Jahr). Und wir wissen alle, dass Fürsorge und Sorge in der frühen Elternschaft persönlich und gesellschaftlich (!) weichenstellend sind.

Deshalb kann der in Kürze vorzustellende Aktionsplan der Bundesregierung nur ein Meilenstein auf dem Weg zu einem umfassenderen Plan aller wegbereitenden Akteure sein.

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